Frequently Asked Questions
Miscellaneous
E DIN 1094:2009-07
Ordnungsrahmen
Die hybride Wertschöpfung lässt sich in verschiedene Funktionsbereiche gliedern, die in einem Ordnungsrahmen (3.5) systematisiert werden (Bild 6). Jeder Funktionsbereich umfasst Geschäftsprozesse zur Integration von Sach- und Dienstleistungsanteilen, die in den folgenden Kapiteln eingehend erläutert werden. Der Ordnungsrahmen gliedert sich in Koordinationsprozesse (Dach des Ordnungsrahmens), Kernprozesse (Mitte des Ordnungsrahmens) und Supportprozesse (Fundament des Ordnungsrahmens). Außerdem werden die Beschaffungs- und Absatzmärkte (Eingang bzw. Ausgang des Ordnungsrahmens) angegeben (zum Referenzdesign des Ordnungsrahmens vgl. Meise 2001, zum Entwicklungsprozess des Ordnungsrahmens vgl. Becker et al. 2008b).
Koordinationsprozesse beschränken die Autonomie der übrigen Prozesse, um wirtschaftliche Vorteile durch die Ausrichtung der Handlungen auf gemeinsame Ziele, durch den Austausch von Informationen, durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen etc. zu erzielen. Die Koordinationsprozesse der hybriden Wertschöpfung werden gegliedert in:
- Strategische Planung der hybriden Wertschöpfung: Es wird festgelegt, in welchen Zeiträumen hybride Wertschöpfung in welchem Umfang (z. B. welche Leistungsbereiche, welche Kundensegmente) realisiert werden soll. Dabei sind diejenigen Leistungsbereiche zu wählen, die von den potenziellen Vorteilen eines HLBs wirtschaftlich besonders profitieren und die notwendigen Voraussetzungen (Fähigkeiten, Ressourcen etc.) aufweisen (5.2.1).
- Werte- und Kulturmanagement für die hybride Wertschöpfung: Die hybride Wertschöpfung erfordert die Etablierung einer Kultur der Zusammenarbeit zwischen Anbietern von Sach- und Dienstleistungsanteilen sowie Kunden, die durch gemeinsame Werte gefestigt werden muss (5.2.2).
- Controlling der hybriden Wertschöpfung: Mittels eines geeigneten Berichtswesens ist der Erfolg der Umsetzung der hybriden Wertschöpfung zu überwachen und zu steuern (5.2.3).
Das marktliche Umfeld der Prozesse des Ordnungsrahmens wird zweifach gegliedert:
- Der Absatzmarkt der HLB kann neben Unternehmen auch staatliche und soziale Organisationen, wie z. B. öffentliche Verwaltungen umfassen. Auch Endkonsumenten können als Abnehmer der HLB fungieren. Das Handy mit einer Vielzahl digitaler Dienstleistungen (z. B. Abonnement für Musikstücke und -nachrichten) ist ein Beispiel für ein HLB, das vorrangig von Konsumenten genutzt wird.
- Der Beschaffungsmarkt umfasst die Zulieferer der Anbieter der HLB. Eine Besonderheit der hybriden Wertschöpfung stellt dar, dass neben sonstigen Zulieferern (Dienstleister und Produzenten, die wiederum hybride Wertschöpfer sein können) die Kunden auch beschaffungsseitig zu berücksichtigen sind, da sie durch die Bereitstellung externer Faktoren in den Leistungsprozess integriert werden. Häufig wirken Kunden z. B. als Co-Designer an der Entwicklung der HLBs mit.
Kernprozesse verbinden den Absatz- mit dem Beschaffungsmarkt der hybriden Wertschöpfung. In ihnen wird der wesentliche Wertschöpfungsbeitrag zur Realisierung des Leistungsangebots erbracht. Der Ordnungsrahmen der hybriden Wertschöpfung gliedert die Kernprozesse in drei Ebenen.
Die Kernprozesse der oberen Ebene dienen der Realisierung und Wiederauflösung des hybriden Lösungspotenzials. Die Realisierung des hybriden Lösungspotenzials kann dabei einzelkundenunspezifisch erfolgen:
- Ideenfindung für HLB: Kreativ werden neue Sach- und Dienstleistungskombinationen entwickelt bzw. Kundenprobleme identifiziert, die für das Unternehmen bzw. für den Markt insgesamt neu sind. Im Rahmen des Ideenmanagements wird eine erste Bewertung (z. B. hinsichtlich Realisierbarkeit, Absatzpotenzial) und Priorisierung der Ideen vorgenommen (5.3.1).
- Konzeption und Entwurf des HLBs und der hybriden Wertschöpfung: Die aufbauorganisatorische, technische und personelle Infrastruktur (Potenzialdimension), die Prozesse der Leistungserbringung (Prozessdimension), das Leistungsspektrum (Ergebnisdimension) und die Marktbearbeitung (Marktdimension) werden konzipiert und entworfen. Es werden Elemente des Lösungsraums vorgegeben, auf die im Rahmen späterer Kernprozesse zurückgegriffen werden kann (5.3.2).
- Implementierung der Infrastruktur für die hybride Wertschöpfung: Die Vorgaben aus Konzeption und Entwurf werden umgesetzt, um die Anbieter zur Erbringung der entwickelten HLB zu befähigen. Die für die hybride Wertschöpfung benötigten Ressourcen werden nach einer strategischen Kapazitätsplanung beim Anbieter oder im Anbieternetzwerk implementiert (5.3.3).
- Auflösung des HLBs: Hat das HLB das Ende seines Lebenszyklus (4.4.4) erreicht und soll nicht weiter angeboten werden, ist die geschaffene Infrastruktur aufzulösen. Wurde ein hybrides Wertschöpfungsnetzwerk aufgebaut, umfasst die Auflösung auch die möglichst einvernehmliche Beendigung der diesbezüglichen Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern (5.3.4).
Die mittlere Ebene der Kernprozesse bildet der Vertrieb:
- Vertrieb kundenindividueller HLB: Die auf der oberen Kernprozessebene geschaffenen Voraussetzungen werden im Rahmen des Vertriebs genutzt, um dem Kunden auf seine Bedürfnisse abgestimmte HLB anzubieten. Das Verhandlungsergebnis wird vertraglich fixiert. Der Vertrieb kann durch Konfigurationsansätze unterstützt werden, mit denen der Kunde oder der Vertriebsmitarbeiter ggf. auch internetgestützt ein geeignetes Leistungsangebot konfiguriert. Dabei sollten insbesondere Ausschluss- und Bedingungsbeziehungen zwischen Leistungsanteilen automatisch berücksichtigt werden (5.3.5).
Die Kernprozesse der unteren Ebene dienen der Realisierung eines einzelnen HLBs bzw. HLB-Bestandteils. Durch die Prozesse wird eine konkrete Ausprägung des durch das hybride Leistungspotenzial ermöglichten Lösungsraums geschaffen:
- Veranlassung der hybriden Wertschöpfung: Im Rahmen des im Vertrieb vereinbarten Vertrags werden die Leistungen des Anbieters abgerufen und der Leistungserstellungsprozess beim Anbieter angestoßen. Falls ein Rahmenvertrag vereinbart wurde, findet die Veranlassung in der Regel mehrfach statt. Die Veranlassung kann automatisiert werden, indem Ereignisse, wie z. B. die Störung einer Maschine, dem Anbieter elektronisch übermittelt werden (5.3.6).
- Ressourcenplanung für die hybride Wertschöpfung: Zur Vorbereitung der Leistungserbringung ermittelt der Anbieter den operativen Ressourcenbedarf, prüft die Verfügbarkeit von Ressourcen und plant deren Verwendung zur Erstellung konkreter Leistungsanteile ein. Die Ressourcenplanung bewegt sich dabei im Rahmen der strategischen Kapazitätsplanung beim Anbieter (5.3.7).
- Erbringung des hybriden Leistungsbündel(bestandteil)s: Das eigentliche HLB mit seinen Sach- und Dienstleistungsanteilen wird realisiert. Hierbei wird der Kunde bzw. werden von ihm bereitgestellte externe Faktoren integriert. In Abhängigkeit von der Art der Veranlassung (z. B. als Bestandteil eines Rahmenvertrags) kann die Erbringung zunächst auch nur einen Bestandteil eines HLBs umfassen (z. B. eine einzelne Störungsbeseitigung im Rahmen von Performance Contracting) (5.3.8).
- Abschluss der Erbringung des hybriden Leistungsbündel(bestandteil)s: Betriebswirtschaftliche und technische Maßnahmen schließen die Erbringung eines Leistungsbündel(bestandteil)s ab. Hierzu gehören die Fakturierung der (Teil-)leistung und die Verrechnung der Erlöse im Rahmen eines Wertschöpfungsnetzwerks ebenso wie die Übermittlung von technischen Daten im Rahmen des Qualitätsmanagements (5.3.9).
Supportprozesse erbringen Leistungen, welche nicht direkt den Kunden eines HLBs zugute kommen. Supportprozesse tragen lediglich indirekt zur Erbringung der Marktleistung bei, indem sie die Ausführung der Kern- und Koordinationsprozesse unterstützen. Der Ordnungsrahmen der hybriden Wertschöpfung hebt vier Supportprozesse aufgrund ihrer besonderen Bedeutung hervor:
- Informationsmanagement: Die informationstechnische Unterstützung der hybriden Wertschöpfung ist aufgrund der Komplexität der Prozesse essentiell (5.4.1).
- Technologiemanagement: Neben der Informationstechnik beeinflussen eine Vielzahl weiterer Technologien (z. B. neue Maschinen und technische Verfahren) die Effektivität und Effizienz der hybriden Wertschöpfung. Die Potenziale neuer Technologien müssen daher frühzeitig erkannt und nutzbar gemacht werden (5.4.2).
- Personalmanagement: Die Fähigkeiten, Qualifikationen und die Motivation des Personals stellen wesentliche Erfolgsfaktoren für die hybride Wertschöpfung dar, die einem systematischen Management unterliegen müssen. Nicht allein, aber besonders im Rahmen der Erbringung des Dienstleistungsanteils, determiniert das Personal im direkten Kundenkontakt die wahrgenommene Qualität des HLBs erheblich (5.4.3).
- Rechtsmanagement: Die rechtliche Absicherung des Leistungsangebots mit Schutzrechten (Patente etc.) ist im Rahmen der hybriden Wertschöpfung aufgrund der starken Einbeziehung des Kunden und den damit verbundenen Einblicken in die Prozesse und Strukturen auf allen Ebenen der Kernprozesse eine bedeutende Herausforderung. In hybriden Wertschöpfungsnetzwerken sind Aufwand und Nutzen der beteiligten Partner vertraglich zu regeln (5.4.4).
- Weitere Supportprozesse: Zu den weiteren Supportprozessen, die im Rahmen dieser PAS aufgrund ihrer geringen Spezifität für die hybride Wertschöpfung keine weitere Berücksichtigung finden, gehören z. B. die Haupt- und Anlagenbuchhaltung sowie die allgemeine Kostenrechnung.
Bei der Beschreibung der Funktionsbereiche des Ordnungsrahmens ist zu beachten, dass der Ordnungsrahmen keine festen Abläufe der beschriebenen Funktionsbereiche vorschreibt. Insbesondere ist nicht in jedem Fall ein vollständiger Durchlauf aller Funktionsbereiche vorgesehen. Beispielsweise kann bei einer variablen Standardleistung auf einen Konfigurationsprozess im Funktionsbereich Vertrieb sofort die Erbringung des HLBs folgen (5.3.6 – 5.3.9), während bei komplexen Individuallösungen nach der Aufnahme der Kundenanforderungen zunächst umfangreiche Entwicklungs- und Implementierungsprozesse auszuführen sind (5.3.1 – 5.3.3).